Kirchenasyl ist kein Untertauchen

Mit Beschluss vom 23. Mai 2019 (Az. 9 AE 1846/19) hat das Verwaltungsgericht Hamburg zum ersten Mal festgestellt, dass ein Kirchenasyl nicht als „flüchtig-sein“ im Sinne der Dublin III-Verordnung zu werten ist. Die Überstellungsfrist nach den Dublin-Regeln kann folglich nicht von 6 auf bis zu 18 Monate verlängert werden, wenn sich eine Person im Kirchenasyl befindet. Dieses Urteil ist für alle Kirchenasyle in Hamburg ein Schritt in die richtige Richtung und gibt den Kirchengemeinden und Schutzsuchenden Sicherheit. Lesen Sie das ganze Urteil hier.

 

Dublin-Abschiebung nach Rumänien abgewendet

Dublin-Fälle werden insgesamt nur sehr selten gewonnen und auch wenn es um eine Rückführung nach der Dublin-Verordnung nach Rumänien geht, ist man meistens chancenlos.

Umso mehr freuen wir uns über das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2019 (Aktenzeichen: 9 AE 1257/19) mit dem ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis hinsichtlich Rumänien für eine unserer Klientinnen festgestellt wurde. weiterlesen

Referentenentwurf zur geordneten Ausgrenzung II

Zweites Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht – „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“

Hier die Fassung des Referentenentwurf BMI,  mit Stand 11.4.2019

Diese Fassung, die am Mittwoch dem Kabinett vorgelegt werden soll, ist  in einigen Punkten entschärft worden, hat aber der Kritik der Fachleute und Verbände im Wesentlichen  kaum Rechnung getragen. Der Entwurf enthält auch Änderungen des AsylbLG, die u.a. für  bestimmte Geflüchtete mit Zuständigkeit anderer Dublin-Staaten eine  Einstellung der Leistungen nach 2 Wochen vorsehen.

Die in hektischer Folge vorgelegten Gesetzesänderungen aus dem BMI werden immer unausgegorener und fehlerhafter und lassen Verfassungsrecht und europäische Vorgaben immer bewusster und gezielter außer Acht. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und  des EUGH werden in den Entwürfen des BMI in letzter Zeit mit einer Respektlosigkeit vom Tisch gewischt, dass man geneigt ist, Minister Seehofer und seinem Team einen Integrationskurs zu empfehlen.

Gemeinsame Stellungnahmen der Kirchen und der Diakonie

 

Referentenentwurf zur geordneten Ausgrenzung

Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (Geordnete-Rückkehr-Gesetz)

Der vorliegende Referentenentwurf stellt in mehrfacher Hinsicht einen grundlegenden Paradigmenwechsel dar. Ausgehend von dem Befund, dass eine bestehende Ausreisepflicht in vielen Fällen nicht durchgesetzt werden könne, wird ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, die letztlich einem absoluten Integrationsverbot für eine sehr große Gruppe von Menschen gleichkommen und im Verbund mit der Kürzung von staatlichen Leistungen unterhalb des Existenzminimums, einer schrankenarmen Ausweitung der Haftmöglichkeiten und weiterer Einschränkung der Bewegungsfreiheit, den Druck auf die Zielgruppe so weit erhöhen sollen, dass sie die Ausreise als geringeres Übel wählen. Gleichzeitig sollen diese extremen Verschärfungen abschreckend auf Menschen wirken, die sich noch außerhalb des Bundesgebiets befinden und nach einem Zielland für ihre Flucht oder Migration suchen.
Es ist mehr als fraglich, ob sich diese Erwartungen erfüllen werden. Unserer Einschätzung nach wird dies nicht der Fall sein. Sicher ist aber, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen neue, bisher in diesem Ausmaß unbekannte soziale Probleme in der Bundesrepublik erzeugen werden. Anders ausgedrückt: Ob es sich im Effekt um ein „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ handeln wird, ist eher unwahrscheinlich, sicher ist jedoch, dass es sich für zehntausende von Menschen um ein „Vollständige-Ausgrenzung-Gesetz“ handeln wird.

fluchtpunkt Stellungnahme Zweites Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

proasyl

Entwurf im Wortlaut Arbeitshilfe ggua

Keine automatische Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate

Seit längerem kämpfen wir für die Einhaltung der Fristenregelungen der Dublin III-VO. Hierbei legen wir einen Schwerpunkt auf die Praxis des BAMF, bei angeblichem „Flüchtigsein“ einer Person die sog. Überstellungsfrist des Art. 29 Dublin III-VO von 6 auf 18 Monate zu verlängern. Diese Verlängerungen erfolgen meist ohne Wissen der Betroffenen, so dass diese sich nur schwer dagegen wehren können. Außerdem macht das BAMF extensiv von dieser Möglichkeit Gebrauch: Einerseits nimmt es vorschnell an, eine Person sei flüchtig. Andererseits verlängert es die Überstellungsfrist pauschal auf 18 Monate, ohne in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Frist angemessen wäre. Dieser Praxis hat das VG Trier (Urteil vom 16.11.2018, Az. 1 K 12434/17.TR) nunmehr deutlich widersprochen. Es bestätigt:

Bei der Verlängerungsentscheidung handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Das heißt, dieser ist den Betroffenen bekannt zu geben und ist vor Gericht anfechtbar.

Das VG Trier stellt ferner klar, dass es sich bei der Fristverlängerung um eine restriktiv zu handhabende Ausnahme handelt. Das BAMF muss hinsichtlich der Dauer der Fristverlängerung ermessen, welche Frist nötig ist und gleichzeitig dem Zwecke der Dublin III-VO – der schnellstmöglichen Bestimmung der Zuständigkeit – nicht unangemessen zuwiderläuft. Es muss darüber hinaus auch nach einer solchen Entscheidung fortlaufend überprüfen, ob eine Fristverlängerung in der Form weiterhin angemessen ist, oder ob insofern relevante Änderungen eingetreten sind.

Und es betont: Es handelt sich [bei der Dublin-III_VO]  um eine rein „technische“ Verordnung zur Regelung ausschließlich damit zusammenhängender Fragen, der eine mit spezial- oder generalpräventiver Absicht strafende oder sonst sanktionierende Regelung schon aus Kompetenzgründen fremd ist. Zum Zweck der Sanktionierung, z.B. eines Kirchenasyls, darf eine Fristverlängerung nicht vorgenommen werden.

Die Entscheidung gibt uns in unserer Auffassung recht und bestärkt uns darin, auch weiterhin gegen die rechtswidrige Praxis der Fristverlängerungen in Dublin Verfahren zu vorzugehen.

Grundsatzurteil zur Abschiebungspraxis: Kein Betreten der Wohnräume in Flüchtlingsunterkünften ohne Durchsuchungsbeschluss

Ein von uns erstrittenes Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg (Urteil vom 15.2.2019, 9 K 1669/18) wird dazu führen, dass sich die Hamburger Abschiebungspraxis in einem wesentlichen Punkt ändern muss.

Bisher war es bei unangekündigten Abschiebungen, die zumeist in den frühen Morgenstunden stattfinden, üblich, dass die Vollzugsbeamtinnen und –beamten die Wohnräume der Betroffenen in den Flüchtlingsunterkünften betraten und ggf. durchsuchten, ohne dafür zuvor eine richterliche Erlaubnis eingeholt zu haben.

Fluchtpunkt hatte gegen diese Praxis geklagt, da in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses eingegriffen werden darf, sofern nicht Gefahr im Verzuge ist. Letzteres dürfte bei geplanten Abschiebungen i.d.R. nicht der Fall sein.

Das Verwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung nun in einem Grundsatzurteil vollumfänglich bestätigt:

Auch die von Geflüchteten privat genutzten Räume in einer Flüchtlingsunterkunft genießen den Schutz des Art. 13 GG. Für ihr Öffnen und Betreten im Rahmen einer Abschiebung ist deshalb ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Diesen wird die Ausländerbehörde Hamburg in Zukunft regelmäßig einzuholen haben.

 

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Verwaltungsgericht die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Das Urteil wurde vom Verwaltungsgericht veröffentlicht und ist hier zu finden:

https://justiz.hamburg.de/contentblob/12187644/688a96190f50660dbb9d467de190aeb1/data/endfassung-9-k-1669-18-urteil-00000084111940-anonymisiert.pdf

Presse:

https://www.abendblatt.de/politik/article216660357/Horst-Seehofers-Abschiebe-Plaene-und-die-Realitaet.html

Schlechte Qualität der Asylverfahren führt zu falschen Entscheidungen durch das Bundesamt

 

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat einem unserer tschetschenischen Klienten Flüchtlingsschutz gewährt… den er eigentlich bereits durch das Bundesamt hätte bekommen müssen. Denn schon dort hatte er kohärent und widerspruchsfrei über die Ereignisse in Tschetschenien berichtet. Der Richter führt in seiner Entscheidung aus, dass die Schilderungen des Klägers gegenüber dem Bundesamt von beeindruckender Klarheit und Detailliertheit waren. Trotzdem hat das Bundesamt diese als unglaubhaft abgetan und seinen Antrag abgelehnt. weiterlesen

Neue Regeln: Mitwirken am Widerruf des eigenen Flüchtlingsstatus?

Viele anerkannte Flüchtlinge haben in den letzten Monaten Post erhalten: Sie werden vom BAMF zu Befragungen oder zur Überprüfung ihrer Identität eingeladen. Diese Gespräche sollen vor allem der Überprüfung dienen, ob der Schutzstatus der jeweiligen Person zu widerrufen ist. Bislang waren diese Einladungen freiwillig, eine Teilnahme war nicht verpflichtend. Das ändert sich jetzt: Am 12. Dezember ist eine Änderung des Asylgesetzes in Kraft getreten, nach der im Widerrufsverfahren nun ähnlich weitreichende Pflichten zur Mitwirkung gelten wie im eigentlichen Asylverfahren. Betroffene können z. B. verpflichtet werden, an einer (erneuten) Anhörung teilzunehmen, Pässe und sonstige Unterlagen vorzulegen bzw. erst zu beschaffen und an einer Überprüfung ihrer Identität, u. a. durch Fingerabdrucknahme, mitzuwirken. weiterlesen

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