Keine automatische Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate

Seit längerem kämpfen wir für die Einhaltung der Fristenregelungen der Dublin III-VO. Hierbei legen wir einen Schwerpunkt auf die Praxis des BAMF, bei angeblichem „Flüchtigsein“ einer Person die sog. Überstellungsfrist des Art. 29 Dublin III-VO von 6 auf 18 Monate zu verlängern. Diese Verlängerungen erfolgen meist ohne Wissen der Betroffenen, so dass diese sich nur schwer dagegen wehren können. Außerdem macht das BAMF extensiv von dieser Möglichkeit Gebrauch: Einerseits nimmt es vorschnell an, eine Person sei flüchtig. Andererseits verlängert es die Überstellungsfrist pauschal auf 18 Monate, ohne in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Frist angemessen wäre. Dieser Praxis hat das VG Trier (Urteil vom 16.11.2018, Az. 1 K 12434/17.TR) nunmehr deutlich widersprochen. Es bestätigt:

Bei der Verlängerungsentscheidung handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Das heißt, dieser ist den Betroffenen bekannt zu geben und ist vor Gericht anfechtbar.

Das VG Trier stellt ferner klar, dass es sich bei der Fristverlängerung um eine restriktiv zu handhabende Ausnahme handelt. Das BAMF muss hinsichtlich der Dauer der Fristverlängerung ermessen, welche Frist nötig ist und gleichzeitig dem Zwecke der Dublin III-VO – der schnellstmöglichen Bestimmung der Zuständigkeit – nicht unangemessen zuwiderläuft. Es muss darüber hinaus auch nach einer solchen Entscheidung fortlaufend überprüfen, ob eine Fristverlängerung in der Form weiterhin angemessen ist, oder ob insofern relevante Änderungen eingetreten sind.

Und es betont: Es handelt sich [bei der Dublin-III_VO]  um eine rein „technische“ Verordnung zur Regelung ausschließlich damit zusammenhängender Fragen, der eine mit spezial- oder generalpräventiver Absicht strafende oder sonst sanktionierende Regelung schon aus Kompetenzgründen fremd ist. Zum Zweck der Sanktionierung, z.B. eines Kirchenasyls, darf eine Fristverlängerung nicht vorgenommen werden.

Die Entscheidung gibt uns in unserer Auffassung recht und bestärkt uns darin, auch weiterhin gegen die rechtswidrige Praxis der Fristverlängerungen in Dublin Verfahren zu vorzugehen.

Grundsatzurteil zur Abschiebungspraxis: Kein Betreten der Wohnräume in Flüchtlingsunterkünften ohne Durchsuchungsbeschluss

Ein von uns erstrittenes Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichts Hamburg (Urteil vom 15.2.2019, 9 K 1669/18) wird dazu führen, dass sich die Hamburger Abschiebungspraxis in einem wesentlichen Punkt ändern muss.

Bisher war es bei unangekündigten Abschiebungen, die zumeist in den frühen Morgenstunden stattfinden, üblich, dass die Vollzugsbeamtinnen und –beamten die Wohnräume der Betroffenen in den Flüchtlingsunterkünften betraten und ggf. durchsuchten, ohne dafür zuvor eine richterliche Erlaubnis eingeholt zu haben.

Fluchtpunkt hatte gegen diese Praxis geklagt, da in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG nur aufgrund eines richterlichen Beschlusses eingegriffen werden darf, sofern nicht Gefahr im Verzuge ist. Letzteres dürfte bei geplanten Abschiebungen i.d.R. nicht der Fall sein.

Das Verwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung nun in einem Grundsatzurteil vollumfänglich bestätigt:

Auch die von Geflüchteten privat genutzten Räume in einer Flüchtlingsunterkunft genießen den Schutz des Art. 13 GG. Für ihr Öffnen und Betreten im Rahmen einer Abschiebung ist deshalb ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erforderlich. Diesen wird die Ausländerbehörde Hamburg in Zukunft regelmäßig einzuholen haben.

 

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Verwaltungsgericht die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Das Urteil wurde vom Verwaltungsgericht veröffentlicht und ist hier zu finden:

https://justiz.hamburg.de/contentblob/12187644/688a96190f50660dbb9d467de190aeb1/data/endfassung-9-k-1669-18-urteil-00000084111940-anonymisiert.pdf

Presse:

https://www.abendblatt.de/politik/article216660357/Horst-Seehofers-Abschiebe-Plaene-und-die-Realitaet.html

Schlechte Qualität der Asylverfahren führt zu falschen Entscheidungen durch das Bundesamt

 

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat einem unserer tschetschenischen Klienten Flüchtlingsschutz gewährt… den er eigentlich bereits durch das Bundesamt hätte bekommen müssen. Denn schon dort hatte er kohärent und widerspruchsfrei über die Ereignisse in Tschetschenien berichtet. Der Richter führt in seiner Entscheidung aus, dass die Schilderungen des Klägers gegenüber dem Bundesamt von beeindruckender Klarheit und Detailliertheit waren. Trotzdem hat das Bundesamt diese als unglaubhaft abgetan und seinen Antrag abgelehnt. weiterlesen

Neue Regeln: Mitwirken am Widerruf des eigenen Flüchtlingsstatus?

Viele anerkannte Flüchtlinge haben in den letzten Monaten Post erhalten: Sie werden vom BAMF zu Befragungen oder zur Überprüfung ihrer Identität eingeladen. Diese Gespräche sollen vor allem der Überprüfung dienen, ob der Schutzstatus der jeweiligen Person zu widerrufen ist. Bislang waren diese Einladungen freiwillig, eine Teilnahme war nicht verpflichtend. Das ändert sich jetzt: Am 12. Dezember ist eine Änderung des Asylgesetzes in Kraft getreten, nach der im Widerrufsverfahren nun ähnlich weitreichende Pflichten zur Mitwirkung gelten wie im eigentlichen Asylverfahren. Betroffene können z. B. verpflichtet werden, an einer (erneuten) Anhörung teilzunehmen, Pässe und sonstige Unterlagen vorzulegen bzw. erst zu beschaffen und an einer Überprüfung ihrer Identität, u. a. durch Fingerabdrucknahme, mitzuwirken. weiterlesen

Hamburg braucht kein „AnkER-Zentrum“

Seit drei Monaten nutzt Hamburg die zentrale Erstaufnahme in Rahlstedt de facto wie ein „AnkER-Zentrum“. Die Landesverbände von Diakonie und Caritas haben daran nun deutliche Kritik geübt: „Hamburg braucht besseren Flüchtlingsschutz und kein ‚AnkER-Zentrum'“. In ihrer gemeinsamen Erklärung sprechen die kirchlichen Wohlfahrtsverbände sich dafür aus, das Ankunftszentrum wieder – wie bisher – nur kurzfristig zu nutzen. Es sei insbesondere kein Ort für Kinder und für kranke Menschen. Zugleich fordern sie eine qualifizierte und unabhängige Rechtsberatung für die dort untergebrachten Menschen.

fluchtpunkt hatte sich bereits Anfang Dezember gegen ein faktisches AnkER-Zentrum und für bessere Unterbringungsbedingungen für besonders schutzbedürftige Geflüchtete ausgesprochen.

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