Kein Raum mehr in der Herberge? Hamburg verschlechtert Unterbringungsbedingungen für Geflüchtete drastisch

Hat Hamburg, was es politisch nie geben sollte – ein sogenanntes „AnkER-Zentrum“? Fakt ist: seit Anfang Oktober werden Flüchtlinge im Dublin-Verfahren sowie Schutzsuchende aus sogenannten „sicheren“ Herkunftsländern aus dem Ankunftszentrum Rahlstedt nicht mehr auf die dezentralen Erstaufnahmestandorte verteilt. Bis zu sechs Monate müssen sie im AKZ bleiben. Darüber berichtete die taz. Ausgenommen sind nur Familien mit schulpflichtigen Kindern, wie aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft hervorgeht.

Im Umkehrschluss heißt das: Kinder bis 5 Jahre sollen ebenso in Rahlstedt bleiben wie andere Personen mit besonderen Schutzbedürfnissen – Schwangere, psychisch Kranke, Gewaltopfer, Menschen mit Behinderungen… Und natürlich ganz normale Flüchtlinge, sofern sie in eine der beiden Kategorien fallen. Zwar spricht der Senat von einem „Fallmanagement“, das im Einzelfall entscheiden soll, ob jemand doch an einen anderen Standort verlegt wird. Das beschriebene Verfahren ist aber so umständlich, dass man befürchten muss: am Ende bleibt es beim Platz im AKZ.

Dramatisch ist das vor allem, weil das AKZ in Rahlstedt nie für einen längeren Verbleib geplant war und dafür auch nicht geeignet ist. Die dort Untergebrachten schlafen in einer großen Halle, die nur durch halbhohe Trennwände unterteilt sind. Über Kopfhöhe sind alle Abteile verbunden, Geräusche hallen durch den gesamten Bau, das Licht brennt von 8-22 Uhr. Künftig vermutlich auch öfter nachts, wenn Personen zu ihrer Abschiebung abgeholt werden. Die taz spricht bereits von einem „Abschiebezentrum“.

Die neuen Regeln in Rahlstedt fügen sich bedenklich ein in eine weitere Entwicklung: Im Zuge der Schließung von fast allen dezentralen Erstaufnahme-Standorten kommt es hamburgweit zu einer drastischen Reduzierung der Angebote für besonders schutzbedürftige Personen. Ebenfalls die taz berichtete, dass schon im Februar die Erstaufnahme (EAE) für schutzbedürftige Frauen und Alleinerziehende mit Kindern am Kaltenkirchener Platz schließen soll. Hier waren bisher z. B. Frauen untergebracht, die vor Gewalt in der Partnerschaft geschützt werden müssen. Auf Mai verschoben wurde die beschlossene Schließung der EAE Oskar-Schlemmer-Straße, wo u. a. Behinderte und Schwerkranke untergebracht sind. Weitere Standorte sollen folgen.

Damit tut sich eine Versorgungslücke für schutzbedürftige Personen auf. Im Bereich der Folgeunterkünfte existieren keine vergleichbaren Schutzkonzepte und Betreuungsschlüssel, wie es sie z. B. am Kaltenkirchener Platz gab. In der Erstaufnahme ist ein Schutzkonzept derzeit gar nicht erkennbar. Durch die Vorgaben des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge zu einer möglichst hohen Belegung werden auch Möglichkeiten des örtlichen Sozialmanagements begrenzt, z. B. durch Verlegung oder Einzelzimmer auf Belastung von BewohnernInne zu reagieren. Kein Raum mehr in der Herberge – stattdessen erhöht man mit solchen Vorgaben das Spannungs- und Konfliktpotential in den Unterkünften und den psychischen Druck auf die BewohnerInnen.

Wir fordern den Senat auf, für die betroffenen Frauen am Kaltenkirchener Platz eine Lösung zu finden, die ihren Schutzbedarf in den Vordergrund stellt, endlich ein kohärentes Schutzkonzept für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu entwickeln und die Entscheidung, Rahlstedt zu einem de-facto-AnkER-Zentrum zu machen, zurückzunehmen.

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