Gesetze für den Stammtisch

Die Länder Georgien und Moldau sollen zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Die Länder mit den Konfliktgebieten Südossetien, Abchasien und Transnistrien. Beides Länder, die von Deutschland und der EU umfangreiche Unterstützung erhalten, um nachhaltige Reformen in Richtung Demokratie und Rechtsstaat zu erreichen. Auf der Seite des Auswärtigen Amtes heißt es zu Moldau: „Im EU-Kreis befürworten wir finanzielle Hilfe, soweit sie von Reformfortschritten begleitet ist, und treten dafür ein, wichtige europäische Werte wie Freiheit der Medien und Unabhängigkeit der Justiz zu schützen“. Auch in Georgien macht die Unabhängigkeit der Justiz trotz EU-Beitrittsperspektive phasenweise sogar Rückschritte. LGBTIQ+ und Rom*nja leiden unter besonderen Diskriminierungen.

In beiden Ländern kommt es laut amnesty international zu Folterungen und Misshandlungen. Die Voraussetzungen für die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat gemäß Art. 16a Abs. 3 GG und Art. 36, 37 sowie Anlage I AsylVerfRL erfüllen Georgien und die Republik Moldau somit nicht. Dennoch wird vorausgesetzt, dass Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern generell unbegründet sind, und Schutzsuchenden wird auferlegt, innerhalb einer Woche nach Entscheidung des Bundesamtes die Feststellung der offensichtlichen Unbegründetheit zu widerlegen. Das heißt, die Qualität der Einzelfallprüfung wird für diese Herkunftsländer weiter gesenkt, und gleichzeitig wird die Möglichkeit, diese gerichtlich prüfen zu lassen, stark beschnitten.

Lassen wir dahingestellt, was das über unsere Rechtsstaatlichkeit sagt – wem dient es überhaupt, die Liste sog. sicherer Herkunftsländer zu erweitern? Es kommen gar nicht viele Geflüchtete aus den beiden Ländern, durch die Änderung werden aber nicht nur ihre Verfahrensrechte beschnitten. Eine wesentliche Folge wird sein, dass, auch wenn ihre Verfahren im Einzelfall mehrere Jahre dauern, kein Unternehmen sie einstellen darf und sie keine Ausbildung machen dürfen. Wir sehen seit Jahren bei den Menschen aus dem westlichen Balkan, welche Folgen es hat, wenn Kinder hier die Schule abschließen und dann nichts machen dürfen. Das schadet den Betroffenen und uns. Es ist eine der in der Flüchtlingspolitik so beliebten lose-lose Situationen. Dennoch scheint es der Bundesregierung sehr eilig zu sein. Keine 48 Stunden wurden Kirchen und Verbänden zur Stellungnahme eingeräumt. Frau Faesers Wahlkampf in Hessen wird das auch nicht reißen.

Links:

https://www.ekd.de/stellungnahme-gesetz-sicheres-herkunftsland-georgiens-80021.htm

https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/PRO-ASYL_Stellungnahme-sichere-HKL_Georgien_Moldau_25.08.2023.pdf

https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/georgien-2022#section-23590978

https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/moldau-2022#section-23596616

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/georgien-eu-103.html

https://dserver.bundestag.de/btd/20/072/2007251.pdf

 

Schutzräume bewahren

Der Tonfall gegenüber Geflüchteten wird erneut rauer, und offenbar nehmen mindestens einzelne Ausländerbehörden die von der Ampel-Koalition und Innenministerin Faeser angekündigte „Abschiebungsinitiative“ so ernst, dass es in den letzten Wochen gehäuft zu fragwürdigen Abschiebungen aus geschützten Räumen bzw. entsprechenden Versuchen kam.

Im Juli ereignete sich die gewaltsame Räumung eines Kirchenasyls im Kreis Viersen (NRW) Die betroffene Familie konnte glücklicherweise nach zwei Wochen Abschiebehaft wieder ins Kirchenasyl zurückkehren.

In Schleswig forderte die Ausländerbehörde Schleswig einen Geflüchteten im Kirchenasyl auf, sich gleichwohl zum Abschiebungstermin einzufinden. Als die Kirchengemeinde daraufhin das Kirchenasyl abbrechen musste, eine andere Gemeinde dem Mann aber Zuflucht gewährte, standen Mitarbeiter der Behörde dort mitten in der Nacht vor der Tür und versuchten, sich Zutritt zum Gebäude zu verschaffen. Letztlich zogen sie unverrichteter Dinge wieder ab.

In der Nacht zum 3. August 2023 kam es zu einer Abschiebung aus einem Krankenhaus in Schleswig-Holstein. Auch in Hamburg gab es bereits solche Fälle und gerade kürzlich einen Versuch, der glücklicher- (und berechtigter-)weise von der Klinik abgewehrt wurde.

Das Eindringen von Behörden in Klinikstationen bedeutet eine empfindliche Störung der Behandlungssituation für alle Patient*innen dort und stößt auf erhebliche rechtliche Bedenken. In Schleswig-Holstein hat das Integrationsministerium nun nachträglich seinen Rückführungserlass geändert, damit das nicht mehr geschieht. In anderen Bundesländern ist das Abschieben aus Kliniken schon länger untersagt.

Hamburg benötigt dringend einen entsprechenden Erlass! Menschen, die so krank sind, dass sie stationär behandelt werden müssen, sind generell nicht reisefähig und dürfen nicht abgeschoben werden. Und das Kirchenasyl muss ein geschützter Raum bleiben – als Respekt des Staats gegenüber kirchlichem Handeln in einer verantwortlichen Gewissensentscheidung.

Wir möchten besonders hinweisen auf

– die Stellungnahme des Flüchtlingsbischofs der EKD, Dr. Christian Stäblein, zu der Räumung in Viersen (https://www.ekd.de/ev-kirche-kritisiert-behoerden-nach-raeumung-kirchenasyl-79609.htm)

– die Stellungnahme der BAG Asyl in der Kirche zum gleichen Vorfall (https://www.kirchenasyl.de/portfolio/abschiebung-nach-protesten-verhindert-kurdisches-ehepaar-aus-dem-gebrochenen-kirchenasyl-in-lobberich-hinsbeck-wird-aus-abschiebehaft-entlassen/)

– und die Pressemitteilung der Flüchtlingsbeauftragten der Nordkirche, Pastorin Dietlind Jochims, zu der Abschiebung aus der psychiatrischen Klinik in Schleswig Holstein (https://www.evangelisch.de/inhalte/219359/03-08-2023/fluechtlingsbeauftragte-abschiebung-aus-klinik-ein-skandal).

 

 

Ankündigung Fortbildung: „Die Feststellung verfolgungsstaatsbezogener Sachverhalte im Asylverfahren“

Am Freitag, den 01. September 2023 gibt Rechtsanwalt a.D. Klaus Piening in unseren Räumen eine Fortbildung für Rechtsanwält*innen und Jurist*innen.

Wir bitten um Anmeldung bis zum Freitag, den 18. August 2023 per Post, Fax oder E-Mail an uns.

Hier finden Sie die Ausschreibung mit Anmeldeformular: Die Feststellung verfolgungsstaatsbezogener Sachverhalte im Asylverfahren

„Wenn wir uns wiedersehen“ Feine Sahne Fischfilet

Am Freitag, den 23. Juni 2023, veröffentlichte die Band Feine Sahne Fischfilet ein neues Video. Der Song trägt den Titel „Wenn wir uns wiedersehen“ und ist für den Kapitän der „Iuventa“, Dariush Beigui. Gegen ihn und 21 andere Menschen, die in der Seenotrettung aktiv sind, wurde in Italien Anklage erhoben. Am letzten Freitag fand ein wichtiger Vortermin zu der Verhandlung statt.

Wir freuen uns, dass wir die Firma clipper Filmproduktion beim Video-Dreh unterstützen konnten – drei unserer Klient*innen, die über das Mittelmeer geflohen sind, waren bereit, sich für ein Statement filmen zu lassen.

Das sehr berührende Video gibt es hier zu sehen.

Nachklapp zum Weltflüchtlingstag

Am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, hat der NDR umfangreich sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen berichtet. Auch fluchtpunkt kam dabei zu Wort und ebenso einer unserer Klienten, Arash, ein unbegleiteter Minderjähriger, der aus Afghanistan über die Balkan-Route nach Deutschland gekommen ist.

Den Hörfunkbeitrag können Sie hier nachhören, einen kurzen Film gibt es hier zu sehen.

 

Abschiebung nach Italien ist rechtswidrig

Nach vierjähriger Flucht bekamen ein Vater und sein minderjähriger Sohn aus Iran in Italien internationalen Schutz. Für die beiden bedeutete das, dass sie aus einem 10-Quadratmeter-Zimmer, in welchem sie mit sieben Personen genächtigt hatten, in die Obdachlosigkeit entlassen wurden. Sie lebten auf der Straße. Der alleinerziehende Vater versuchte vergeblich eine Arbeit aufzunehmen und eine ärztliche Versorgung für den – von der Flucht schwer belasteten – Sohn zu erhalten. Sie reisten weiter nach Deutschland. Hier bekamen sie eine Unterkunft, medizinische Hilfe und ein wenig Ruhe, bevor das Bundesamt sie 2017 erneut nach Italien abzuschieben drohte.

Dagegen haben wir geklagt. Das Verwaltungsgericht gab uns Recht und befand, dass der Bescheid des Bundesamts rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, da Vater und Sohn bei einer Rückkehr nach Italien zu den besonders verletzlichen Personen zählen, die nach Ende der Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten würden, die es ihnen nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Besonders würdigte das Gericht die bereits erlittene Obdachlosigkeit des damals gerade 10 Jahre alten Kindes und kommt zu dem Schluss: Es ist nach Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass eine erneute Rückkehr nach Italien vor dem Hintergrund des bereits Erlebten traumatisierend für den Kläger wäre und eine erhebliche Destabilisierung seines psychischen Zustandes zur Folge hätte.

Das ganze Urteil können Sie hier lesen.

#KeineKompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes

Als Teil eines Bündnisses von mehr als 50 Organisationen fordert fluchtpunkt die Bundesregierung zur Abkehr von ihren Plänen zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auf. Mit Blick auf das Treffen der EU-Innenminister am 8. Juni 2023 appelliert das Bündnis an Innenministerin Nancy Faeser (SPD), ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden und ihren eigenen Koalitionsvertrag ernst zu nehmen. Es darf keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes geben.

Zum vollständigen Appell geht es hier, für einen Auszug bitte weiterlesen:

weiterlesen

10 Jahre „Lampedusa in Hamburg“

Im Juni 2013 forderten um die 300 Männer aus verschiedenen afrikanischen Ländern in Hamburg: „We are here to stay!“. Italien hatte sie zuvor weitergeschickt gen Norden, Hamburg wollte sie wieder dorthin abschieben, doch dann passierte etwas ganz anderes in unserer Stadt – eine große Welle der Solidarität und Unterstützung entstand, vor allem in und um die St. Pauli Kirche herum.

Anlässlich des 10. Jahrestags hat „Hinz & Kunzt“ der Gruppe seine Titelgeschichte gewidmet und u.a. gibt es auch ein Interview mit unserer Rechtsberaterin Insa Graefe dort zu lesen: https://www.hinzundkunzt.de/der-kampf-war-so-erfolgreich-wie-keiner-zuvor/

Die St. Pauli Kirche feiert den 10. Jahrestag ebenfalls mit dem „Here to stay Festival“ am ersten Wochenende im Juni. Hier finden Sie das Programm: https://www.stpaulikirche.de/

Außerdem gibt es hier ein weiteres Interview mit Insa Graefe zu den Plänen der Bundesregierung, die Asylverfahren zukünftig bereits an den EU-Außengrenzen durchzuführen: https://www.hinzundkunzt.de/scharfe-kritik-aus-hamburg-an-faesers-asylplaenen/

 

 

Button Beraten - Fluchtpunkt Hamburg
Um unser Webseitenangebot optimal gestalten und weiter verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.

Fluchtpunkt Hamburg