Seit 2018 war es heftig umstritten, nun gibt es eine gute Nachricht: Dass eine Kirchengemeinde einer*m Geflüchteten Kirchenasyl gewährt, führt in Dublin-Verfahren nicht zu einer Verlängerung der Frist für die Abschiebung in den anderen EU-Staat auf 18 Monate.
Das BAMF hatte bereits im Januar angekündigt, diese Praxis aufzugeben. Damit griff es offenbar einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor. Das Gericht hat mit Urteil vom 26.1.2021 entschieden (Az. 1 C 42.20): Ein offenes, also den Behörden bekanntgegebenes Kirchenasyl zählt nicht als „Flüchtigsein“ bzw. Untertauchen und rechtfertigt deshalb nicht die Verlängerung der Frist.
Das Urteil liegt noch nicht schriftlich vor; in der Pressemitteilung vom 26. Januar argumentieren die Richter*innen: Die Klägerin sei nicht flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Satz Alt. 2 Dublin III-VO gewesen, weil ihr Aufenthaltsort im Kirchenasyl dem Bundesamt bekannt war. Eine Überstellung der Klägerin sei dann aber rechtlich und tatsächlich möglich gewesen. Anders gesagt: wenn die Behörde aus Respekt vor den sakralen Räumen oder aus politischer Rücksichtnahme auf die Abschiebung verzichtet, dann kann dies nicht zu Lasten des geflüchteten Menschen gehen.
Das BAMF hat inzwischen klargestellt: Auch in Verfahren, in denen bereits die Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate erfolgt ist, wird daran nicht festgehalten. Derzeit werden offenbar die Betroffenen dieser Verfahren angeschrieben mit der Mitteilung, dass nun ins nationale Asylverfahren übergegangen wird. (Das gilt nicht für Fälle, in denen die Verlängerung auf 18 Monate aus anderen Gründen erfolgt ist, z. B. wegen eines gescheiterten Abschiebungsversuchs vor dem Kirchenasyl.)
Von einer Verlängerung der Überstellungsfrist war das BAMF einseitig ausgegangen seit August 2018, wenn ein*e Geflüchtete*r ins Kirchenasyl aufgenommen, ein Dossier zu den vorliegenden Härtegründen eingereicht, das Dossier vom BAMF aber abgelehnt wurde und die betreffende Person das Kirchenasyl daraufhin nicht umgehend verließ. In den Medien ist teilweise berichtet worden, dies entspreche einer Vereinbarung zwischen den Kirchen und dem BAMF; tatsächlich hatte das BAMF eine seit 2015 bestehende Vereinbarung zum Vorgehen in Kirchenasylfällen hier einseitig fortgeschrieben. Die Verlängerung der Überstellungsfrist bei Kirchenasyl war stets umstritten, zahlreiche Verwaltungsgerichte hatten in einer Fülle von Verfahren festgestellt, dass ein offenes Kirchenasyl die Verlängerung der Frist nicht rechtfertigt. Das BVerwG hat nun auch klargestellt, dass die – rechtlich nicht verbindliche – Verfahrensabsprache zwischen Kirchen und BAMF keinen Einfluss auf die Definition des Begriffs „Flüchtigsein“ hat.