Prozessuale Fragen wirken oft „dröge“, können aber erhebliche Auswirkungen haben. So auch in diesem Fall, in dem wir einen jungen Mann aus Somalia dank eines prozessualen Fehlers des BAMF aus der Abschiebungshaft holen konnten.
Was war geschehen? Der junge Mann war auf Malta als schutzberechtigt anerkannt worden, hatte dort aber keine Grundlage zum Leben finden können. Obdachlos geworden, hatte er sich als Tagelöhner verdingt, war um seinen Lohn geprellt worden, wurde bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt. Schließlich verließ er Malta und landete nach einer Odyssee durch Europa in Deutschland. Hier wurde sein Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt, er wurde nach Malta zurückgeschoben, kehrte aber von dort zurück und stellte einen erneuten Antrag.
Diesen zweiten Antrag wertete das BAMF als Folgeantrag und lehnte auch diesen als „unzulässig“ ab. Wie bei Folgeanträgen üblich, wurde die Abschiebung nicht erneut angedroht, sondern auf die Abschiebungsandrohung aus dem früheren Bescheid verwiesen. Eine Abschiebungsandrohung muss gesetzlich jeder Abschiebung vorangehen – die betroffene Person muss „gewarnt“ werden, dass sie abgeschoben werden kann, muss zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, wie sie darauf reagieren will.
Im Fall des jungen Mannes aus Somalia durfte das BAMF so nicht vorgehen. Das hat das Verwaltungsgericht auf unseren Eilantrag hin entschieden. Denn bei einem Folgeantrag ist die Prüfung der Behörde darauf beschränkt, ob sich, verglichen mit dem früheren Verfahren, eine „neue Sach- oder Rechtslage“ ergeben hat. Dafür aber muss im ersten Verfahren eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags stattgefunden haben. Den ersten Antrag unseres Klienten hatte das BAMF aber als „unzulässig“ abgelehnt, weil es Deutschland nicht für zuständig hielt, es war in eine inhaltliche Prüfung gerade nicht eingestiegen. Dann durfte aber der zweite Antrag nicht als Folgeantrag abgelehnt werden, so das Gericht, mit der Konsequenz, dass auch auf die (erneute) Abschiebungsandrohung nicht verzichtet werden durfte. Die erste Abschiebungsandrohung war „verbraucht“ durch die Abschiebung nach Malta. Folglich wäre die erneute Abschiebung formal fehlerhaft gewesen und wurde durch das Gericht untersagt.
Keine Abschiebung – keine Abschiebungshaft. So gewann unser Klient seine Freiheit zurück. Wir freuen uns darüber. Und wir freuen uns, dass das Gericht die Geltung rechtlicher Grundsätze in seiner Entscheidung betont hat. Und dass wir mit diesem Verfahren zur Durchsetzung von mehr Rechtsstaatlichkeit zugunsten von Geflüchteten beitragen konnten.
Das anonymisierte Urteil des VG können Sie hier nachlesen.