Flüchtlingsarbeit in der Nordkirche

Im Video über die Flüchtlingsarbeit der Nordkirche durften wir unsere Arbeit darstellen: Den Einsatz für Geflüchtete mit den Mitteln des Rechtsstaates. Danke an Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, für die Möglichkeit und danke an Jonas Nahnsen für den tollen Beitrag! Das Video können Sie hier ansehen:

https://www.youtube.com/watch?v=Oe0DNbYDdCE

 

Abschiebungsverbot Nordmazedonien wegen Kindeswohlsgefährdung

Die Kläger mit nordmazedonischer Staatsangehörigkeit vom Volk der Roma reisten zuletzt im Jahr 2015 mit ihrer Mutter nach Deutschland ein. Das Gericht hat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bejaht. Die Kläger wären bei einer Rückkehr nach Nordmazedonien nicht in der Lage, ihr physisches oder psychisches Existenzminimum zu sichern, da es sich bei den Klägern um besonders vulnerable Jugendliche handelt. Selbst bei einer Rückkehr zusammen mit der Kindsmutter wären sie auf sich alleine gestellt, da die Kindsmutter unter einer Impulskontrollstörung leidet und wiederholt Gewalt gegen die Kinder ausübte, so dass ihr letztlich das Sorgerecht entzogen wurde. Andere unterstützungsbereite Familienangehörige waren nicht ersichtlich, und die Kläger könnten auch nicht auf staatliche soziale Einrichtungen verwiesen werden. Es sei nicht ersichtlich, dass für die Kläger, die auf eine intensive pädagogische und therapeutische Betreuung angewiesen seien, um nicht jeden Halt zu verlieren, dem Kindeswohl entsprechende Einrichtungen vorhanden seien.

Die Kläger lebten in den letzten Jahren in verschiedenen Jugendhilfeeinrichtungen und befanden sich aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen in Mazedonien in regelmäßiger psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung. Auch aufgrund ihrer Gewalterfahrungen in Mazedonien dürften die Kläger als „Systemsprenger“ gelten. Allerdings lag zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kein aktuelles fachärztliches Attest vor. Aufgrund der langen Verfahrensdauer und der Einschätzung der speziell ausgebildeten Betreuer*innen, dass eine sechsjährige durchgängige Traumabehandlung der Minderjährigen – insbesondere im Hinblick auf ihre weitere Entwicklung – nicht zumutbar sei, kam es zu dem Dilemma, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kein aktuelles fachärztliches Attest vorlag. Deswegen ist es umso erfreulicher, dass das Gericht in der Gesamtschau zu dem Ergebnis einer Vulnerabilität der minderjährigen Kläger kommt.
Positiv ist auch die Einschätzung des Gerichts, dass § 58 Abs. 1a AufenthG den Klägern nicht entgegengehalten werden könne. Anders als vom BVerwG angenommen, sei der durch diese Vorschrift vermittelte Abschiebungsschutz dem des § 60 Abs. 5 AufenthG nicht gleichwertig. Denn die Minderjährigen wären hinsichtlich ihrer Rechtsstellung dauerhaft im Ungewissen und jedenfalls theoretisch fortgesetzt von Abschiebung bedroht, da die Behörde eine Prüfung der Rückkehrsituation bis zum Eintritt der Volljährigkeit der Minderjährigen vor sich herschieben könnte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

VG Hamburg, U. v. 23.08.2022, 21 A 1079/16: VG HH Abschiebungsverbot Nordmazedonien2022-09-141_

Subsidiärer Schutz für serbisches Opfer sexualisierter Gewalt durch Bundesamt zu prüfen

Die Klägerin, serbische Staatsangehörige, reiste nach einem erfolglosen früheren Asylverfahren mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern 2016 nach Deutschland ein und stellte einen Asylfolgeantrag, der vom BAMF als unzulässig abgelehnt wurde. In Deutschland trennte sich die Klägerin von ihrem Ehemann und zog mit den Kindern in ein Frauenhaus.
Im gerichtlichen Verfahren legte sie detailliert dar, dass sie minderjährig zwangsverheiratet wurde und dass die Ehe eine endlose Aneinanderreihung von Misshandlungen und sexualisierter Gewalt gewesen war. Versuche, Schutz durch die Polizei zu erlangen, seien erfolglos geblieben. Auch nach einem Suizidversuch und trotz einer gerichtlichen Gewaltschutzverfügung habe der Ehemann sie weiterhin bedroht. Für ihre psychischen Leiden und die Bedrohungssituation in der Familie legte die Klägerin mehrere Atteste und Bescheinigungen vor.
Das beklagte Bundesamt erkannte zwar an, dass häusliche Gewalt gegen Frauen in Serbien verbreitet sei. Es gebe aber zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote, an die die Klägerin sich wenden könne. Überdies könne sie auf die Unterstützung ihrer teils volljährigen Kinder zählen.
Das VG Hamburg hob den ablehnenden Bescheid auf. Für die Geltendmachung einer geänderten Sach- oder Rechtslage genüge es, dass Betroffene eine Änderung relevanter Umstände glaubhaft und schlüssig vortrügen. Hierfür reiche bereits die Möglichkeit einer günstigen Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Wiederaufgreifensgründe aus. Ob der neue Vortrag tatsächlich zutreffe und die Annahme von Verfolgung rechtfertige, sei im Rahmen eines neuen materiellen Asylverfahrens zu prüfen. Lediglich, wenn ein glaubhafter Vortrag von vornherein nach jeder Betrachtung ungeeignet sei, einen Schutz zu begründen, dürfe der Folgeantrag als unzulässig abgelehnt werden. Der detaillierte Vortrag der Klägerin zu Gewalterfahrungen seitens des Ehemanns begründe eine veränderte Sachlage. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes erscheine möglich. Insoweit sei der Vortrag der Klägerin schlüssig, dass der Ehemann weitere Misshandlungen oder gar ihre Tötung plane. Auch bestünden Anhaltspunkte, dass ausnahmsweise kein Schutz durch serbische Sicherheitskräfte zu erlangen sei.

Das Urteil ist zu begrüßen in der Klarheit, mit der es feststellt, dass die eigentliche Prüfung des fluchtrelevanten Vortrags auch im Folgeverfahren nicht in die Zulässigkeitsprüfung verlagert werden darf. Allzu oft findet hier in Folgeverfahren eine gründliche Sachprüfung nicht statt, wird Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag und Vorlage von Dokumenten nicht gegeben.

Vor allem aber ist hervorzuheben, dass das Gericht der Klägerin und ihren Kindern Glauben geschenkt hat. Die Vertretung von Geflüchteten aus den Ländern des Westbalkan, oft Angehörigen der Roma-Minderheit, ist eine der herausforderndsten Aufgaben des Asylrechts. Die politische Definition dieser Staaten zu „sicheren“ Herkunftsländern zieht allzu häufig eine schematische Prüfung durch BAMF und Gerichte nach sich, die an der Oberfläche bleibt. Da werden Berichte von NGOs über Diskriminierungen, mangelnde Versorgung und fehlenden Schutz durch staatliche Stellen wenig gewürdigt, ärztliche Atteste zerpflückt, arg optimistische Annahmen zur menschenrechtlichen Lage zugrunde gelegt. Die Vertretung in solchen Verfahren erfordert detaillierte Aufarbeitung von Sachverhalten unter hohem Zeitaufwand. Gut, dass hier eine ebenso detaillierte Würdigung durch das Gericht erfolgte.

VG Hamburg, U. v. 15.06.2022, 21 A 6139/16: 220615 VG HH Subsidiärer Schutz SRB

OVG erklärt Abschiebung von schwer erkrankter und hilfloser Mutter mit ihren Kindern für rechtswidrig

Das Hamburger Amt für Migration plante, Familie S. nach Serbien abzuschieben. Es handelte sich um die Eltern und drei Kinder im Alter von drei, neun und zwölf Jahren. Das Amt selbst hatte die Mutter ärztlich untersucht und dabei zwar eine Flugfähigkeit bejaht, jedoch auch festgestellt, dass schwere psychische Erkrankungen mit Depressions- und Angstsymptomen vorlagen und dass sie umfassend auf Betreuung und Lebenshilfe ihrer Familie angewiesen ist. Die Betroffene sollte nach ihrer Abschiebung am Flughafen Belgrad an einen Arzt übergeben werden.
Nach Aktenvermerken war dem Amt u.a. bekannt, dass Frau S. anlässlich einer Untersuchung in den Räumen der Ausländerbehörde sich nicht alleine ausziehen konnte, sich einnässte und nur auf Ansprache ihres Ehemannes reagierte.

Am Morgen der Abschiebung kollabierte der Vater, der daraufhin zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht wurde, wo er kurze Zeit später wieder entlassen wurde. Das Amt für Migration entschied sich in diesem Moment, die Familie zu trennen und Frau und Kinder allein abzuschieben. Es befanden sich Ärzte an Bord, am Flughafen in Belgrad jedoch wurde ihnen das Aussteigen verweigert.

Das Oberverwaltungsgericht urteilte, dass die Abschiebung rechtswidrig war. Durch die Abschiebung wurden die Betroffenen tiefgreifend in ihren Grundrechten nach Art. 6 GG (Familie) und ihrem Recht auf Art. 2 GG (körperliche Unversehrtheit) verletzt. Das Gericht entschied, dass es der Behörde aus der ex-ante-Sicht hätte klar sein müssen, dass vorliegend eine getrennte Abschiebung nicht in Betracht kommt. Frau S. war dermaßen krank und hilfebedürftig, dass die Abschiebung der Kinder mit einer Situation der Abschiebung unbegleiteter Minderjähriger im Sinne des § 58 Abs. 1a AufenthG vergleichbar ist. Der Behörde war bekannt, dass eine Abschiebung der Mutter ohne ihren Mann diese hilflos und ohne eigene Handlungskompetenz zurücklässt. In einer solchen Situation wäre es entsprechend § 58 Abs. 1a AufenthG dem Kindeswohl entsprechend darauf angekommen sicherzustellen, dass diese einem geeigneten und sicheren Aufnahmeumfeld übergeben werden. Die Zusage der serbischen Behörden über die Präsenz eines Arztes oder Psychiaters am Flughafen in Belgrad genügte diesen Anforderungen nicht. Vor der Abschiebung wären Schutzvorkehrungen zu treffen gewesen.

Frau S. war nicht nur auf eine medizinische Begleitung, sondern darüber hinaus auf eine umfassende familiäre Fürsorgebetreuung angewiesen, wie sie durch Art. 6 Abs. 1 GG auch zwischen erwachsenen Familienmitgliedern geschützt wird. Die Anwesenheit ihres Ehemanns wäre erforderlich gewesen, um den für die Ausländerbehörde erkennbaren Verlust ihrer Autonomie und Würde zu kompensieren. Vor der Erwägung einer getrennten Abschiebung wäre es die Pflicht der Behörde gewesen, aus Gründen des Gesundheitsschutzes eine ärztliche Stellungnahme darüber einzuholen, wie sich diese auf die einzelnen Beteiligten auswirken würde.

Das Urteil des OVG ist ein wichtiges Signal, dass Abschiebungen nicht um jeden Preis durchgeführt werden dürfen und dass Kindeswohl und gesundheitliche Aspekte ernstzunehmen sind. Die Einstellung, dass attestierte Erkrankungen (auch nach nicht erfolgreicher Geltendmachung im Asylverfahren) nicht ernstzunehmen seien und erkennbare Symptome als simuliert abzutun, kann schwerwiegende Folgen haben. Vorliegender Fall ist besonders bemerkenswert, da der Behörde selbst die krankheitsbedingte Situation bekannt war, sie sich dennoch darüber hinwegsetzte und Aspekte des Kindeswohls nicht einmal erwogen hat. Wenn durch das ordnungsrechtliche Instrument der Abschiebung selbst Grundrechte verletzt werden, geht vom Staat die eigentliche Gefahr aus und nicht durch kranke Mütter und deren Kindern, die ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen sind.

Das ganze Urteil können Sie hier lesen: 20220530_OVG_Urteil für HP

Flüchtlingseigenschaft für afghanische Frauenrechtlerin

Frau T. flüchtete gemeinsam mit ihren Kindern im Jahr 2020 aus Afghanistan. Dort lebte sie ein sehr unabhängiges und emanzipiertes Leben. Sie studierte Sozialpädagogik und arbeitete als Lehrerin für eine Frauenrechtsorganisation. Hier unterstützte sie Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren und brachte ihnen Lesen und Schreiben bei. Ihr war es wichtig Vorbild, Mentorin und Lehrerin zu sein und den Frauen das Wissen und die Erfahrung zu vermitteln, welches ihnen ermöglichte ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Die Taliban und auch die Familien der Frauen die sie unterrichtete, wollten ihre Arbeit mit allen Mitteln verhindern. Sie und ihre Kolleginnen waren ein Dorn im Auge der patriarchalen und streng religiösen Gesellschaft. Bedrohungen und Beschimpfungen waren an der Tagesordnung und spitzten sich im Laufe der Jahre immer weiter zu. Als zwei Kolleginnen durch eine Autobombe getötet wurden und es mehrere Anschläge auf ihr Haus gab, entschloss sie sich zu Flucht. Dabei ging es ihr vor allem darum, ihre Kinder vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen.

In Deutschland beantragte sie Asyl. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ihr Schutzbegehren ab und ordnete die Abschiebung nach Afghanistan an. Die Gefährdungslage sei nicht nachgewiesen, so heißt es in dem Bescheid. Die Schüsse auf ihr Haus durch die Taliban stellten zwar physische Gewalt dar, jedoch hätten die Taliban nicht versucht in das Haus einzudringen und ihrer habhaft zu werden. Zudem habe der Bombenanschlag auf das Dienstauto nicht ihr persönlich gegolten, sondern vielmehr der Organisation an sich. Als wir Frau T. die Entscheidung des Bundesamtes erklärten, brach sie zusammen. Zu groß war die Verletzung, dass die Gefahr in der sie im Kampf für die Rechte der Frauen schwebte, nicht gesehen und gewürdigt wurde.

Selbstverständlich haben wir geklagt und konnten nun erreichen, dass Frau T. mit ihren Kindern der Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Der Richter folgte unserer Einschätzung und stellte fest, dass Frau T. in Afghanistan wegen ihrer emanzipierten Vorstellung und Lebensweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geschlechtsspezifische Verfolgung durch die Taliban droht.

Ohne unsere Klage hätte Frau T. nicht den Schutz erhalten, den sie aufgrund ihres mutigen Einsatzes für die Rechte der Frauen verdient. Frau T. hat nun die Aufenthaltsrechtliche Sicherheit um anzukommen. Sie will weiter Deutsch lernen, um irgendwann auch hier als Lehrerin zu arbeiten.

Das Urteil können Sie hier nachlesen.

 

fluchtpunkt rettet jungen Somalier vor der Abschiebung

Prozessuale Fragen wirken oft „dröge“, können aber erhebliche Auswirkungen haben. So auch in diesem Fall, in dem wir einen jungen Mann aus Somalia dank eines prozessualen Fehlers des BAMF aus der Abschiebungshaft holen konnten.

Was war geschehen? Der junge Mann war auf Malta als schutzberechtigt anerkannt worden, hatte dort aber keine Grundlage zum Leben finden können. Obdachlos geworden, hatte er sich als Tagelöhner verdingt, war um seinen Lohn geprellt worden, wurde bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt. Schließlich verließ er Malta und landete nach einer Odyssee durch Europa in Deutschland. Hier wurde sein Asylantrag als „unzulässig“ abgelehnt, er wurde nach Malta zurückgeschoben, kehrte aber von dort zurück und stellte einen erneuten Antrag.
Diesen zweiten Antrag wertete das BAMF als Folgeantrag und lehnte auch diesen als „unzulässig“ ab. Wie bei Folgeanträgen üblich, wurde die Abschiebung nicht erneut angedroht, sondern auf die Abschiebungsandrohung aus dem früheren Bescheid verwiesen. Eine Abschiebungsandrohung muss gesetzlich jeder Abschiebung vorangehen – die betroffene Person muss „gewarnt“ werden, dass sie abgeschoben werden kann, muss zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, wie sie darauf reagieren will.

Im Fall des jungen Mannes aus Somalia durfte das BAMF so nicht vorgehen. Das hat das Verwaltungsgericht auf unseren Eilantrag hin entschieden. Denn bei einem Folgeantrag ist die Prüfung der Behörde darauf beschränkt, ob sich, verglichen mit dem früheren Verfahren, eine „neue Sach- oder Rechtslage“ ergeben hat. Dafür aber muss im ersten Verfahren eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags stattgefunden haben. Den ersten Antrag unseres Klienten hatte das BAMF aber als „unzulässig“ abgelehnt, weil es Deutschland nicht für zuständig hielt, es war in eine inhaltliche Prüfung gerade nicht eingestiegen. Dann durfte aber der zweite Antrag nicht als Folgeantrag abgelehnt werden, so das Gericht, mit der Konsequenz, dass auch auf die (erneute) Abschiebungsandrohung nicht verzichtet werden durfte. Die erste Abschiebungsandrohung war „verbraucht“ durch die Abschiebung nach Malta. Folglich wäre die erneute Abschiebung formal fehlerhaft gewesen und wurde durch das Gericht untersagt.

Keine Abschiebung – keine Abschiebungshaft. So gewann unser Klient seine Freiheit zurück. Wir freuen uns darüber. Und wir freuen uns, dass das Gericht die Geltung rechtlicher Grundsätze in seiner Entscheidung betont hat. Und dass wir mit diesem Verfahren zur Durchsetzung von mehr Rechtsstaatlichkeit zugunsten von Geflüchteten beitragen konnten.

 

Das anonymisierte Urteil des VG können Sie hier nachlesen.

Informationen zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in Deutschland (letzte Aktualisierung: 18.3.2022)

  1. Einreise und Aufenthalt ukrainischer Staatsangehöriger
    Ukrainische Staatsangehörige können visumfrei in die EU und nach Deutschland einreisen, auch ohne biometrischen Pass oder ganz ohne Papiere. Der Aufenthalt ist visumfrei für 90 Tage; nach Ablauf der 90 Tage ist nach einer Auskunft des Bundesinnenministeriums (BMI) ein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis für weitere 90 Tage möglich (§ 40 Aufenthaltsverordnung i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 3 Aufenthaltsgesetz).
    Mehrere Bundesländer bevorzugten anfänglich andere Wege; so verlängerte Berlin den visumfreien Aufenthalt aller ukrainischen Staatsangehörigen per Allgemeinverfügung vorläufig bis Ende Mai, Schleswig-Holstein riet seinen Ausländerbehörden, auf einen Antrag hin zunächst vorläufige Bescheinigungen auszustellen („Fiktionsbescheinigung“). NRW kündigte an, die BMI-Regelung umzusetzen, Hamburg ebenfalls. Anträge sollten in Hamburg an die Bezirksämter gerichtet werden (die allerdings nach unserer Erfahrung seit längerem nur schwer erreichbar sind, mit langen Bearbeitungszeiten).
    Nachdem die EU-Innenminister*innen am 3.3.2022 einem Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt haben, die „Richtlinie über vorübergehenden Schutz“ zu aktivieren, hat Hamburg nun begonnen, an die begünstigten Personen Fiktionsbescheinigungen zu erteilen. Die Fiktionsbescheinigung gilt als vorläufiger Aufenthaltstitel. Sie erlaubt den Aufenthalt für bis zu ein Jahr. Damit verbunden ist, soweit das den ersten erteilten Bescheinigungen zu entnehmen war, ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang.
    Den Antrag auf eine solche Fiktionsbescheinigung können stellen:
    – Ukrainische Staatsangehörige, die bis Kriegsausbruch am 24.2. ihren regelmäßigen Aufenthalt in der Ukraine hatten, und ihre Familienangehörigen;
    – in der Ukraine als Flüchtlinge oder mit ähnlichem Schutzstatus anerkannte Drittstaatsangehörige, die bis Kriegsausbruch ihren regelmäßigen Aufenthalt dort hatten, und ihre Familienangehörigen;
    – weitere Drittstaatsangehörige, sofern sie in der Ukraine einen unbefristeten Aufenthaltsstatus hatten und bis Kriegsausbruch ihren regelmäßigen Aufenthalt dort hatten, und ihre Familienangehörigen; für diese dritte Gruppe gilt die vorläufige Aufnahme allerdings nur, sofern es ihnen nicht möglich ist, sicher und dauerhaft in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.
    Mittelfristig dürften anstelle der Fiktionsbescheinigungen Aufenthaltserlaubnisse nach § 24 Aufenthaltsgesetz zu erteilen sein.
    Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben ausdrücklich Abschiebungsstopps für ukrainische Staatsangehörige beschlossen. Es wird aber auch kein anderes Bundesland jetzt in die Ukraine abschieben.
    2. Einreise und Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine
    Dem Krieg versuchen auch viele Menschen zu entkommen, die nicht aus der Ukraine stammen, aber dort gelebt haben, z. B. als Studierende, Arbeitskräfte oder Asylsuchende.
    Bislang scheinen die EU-Nachbarstaaten auch diese Menschen einreisen zu lassen, allerdings gab es anfänglich Berichte über erhebliche Behinderungen und Verzögerungen auf der ukrainischen Seite.
    Die Einigung der EU-Staaten auf die Aktivierung der EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz erfasst in erster Linie diejenigen Drittstaatsangehörigen, die in der Ukraine als Flüchtlinge geschützt waren, oder die dort ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hatten und nicht sicher und dauerhaft in ihre Länder zurückkehren können (s. o. Punkt 1). Hinsichtlich weiterer Drittstaatsangehöriger, die in der Ukraine nur einen befristeten Aufenthalt hatte (z. B. Studierende oder Arbeitsmigrant*innen), wird den Mitgliedstaaten ein Ermessen eingeräumt.
    Nach den vorläufigen Anwendungshinweisen des BMI zu § 24 AufenthG sollen diese Personen in den vorübergehenden Schutz einbezogen werden unter den gleichen Bedingungen wie solche Personen, die in der Ukraine ein unbefristetes Aufenthaltsrecht innehatten. D. h. auch Drittstaatsangehörige mit befristetem Aufenthalt in der Ukraine (Studierende, Arbeitsmigrant*innen etc.) können in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhalten, sofern sie nicht sicher und dauerhaft in ihre Herkunftsländer zurückkehren können.
    In Hamburg scheint die Prüfung einer Rückkehrmöglichkeit derzeit nicht vorrangig zu erfolgen. Auch für Drittstaatsangehörige werden Fiktionsbescheinigungen ausgestellt. Allerdings gibt es auch Berichte über Einzelfälle, wo dies nicht geschehen ist.
    Denkbar ist für die Drittstaatsangehörigen auch ein Asylantrag, wobei dessen Erfolgsaussichten dann nicht an der Lage in der Ukraine, sondern an derjenigen im Herkunftsland hängen würden.
    Russische Staatsangehörige, die wegen der Sanktionen nicht ausreisen können, können sich in Hamburg an die Bezirksämter wenden und sollen dort eine Fiktionsbescheinigung erhalten.
    3. Asylverfahren
    Grundsätzlich besteht für ukrainische Staatsangehörige die Möglichkeit, Asylanträge zu stellen. Allerdings würde das BAMF über einen Antrag wegen der sich täglich ändernden Lage vermutlich über eine längere Zeit nicht entscheiden.
    Für ukrainische Staatsangehörige dürfte es derzeit sinnvoller sein, die Entwicklung der Lage abzuwarten und entweder den visumfreien Aufenthalt in Anspruch zu nehmen oder gleich einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach der EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz zu stellen.
    Für Menschen aus Drittstaaten, die in der Ukraine gelebt haben, besteht in vielen Fällen ebenfalls die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz zu beantragen (s. o. Punkt 2). Im Einzelfall kann es auch sinnvoll sein, einen Asylantrag zu stellen; wir empfehlen, sich dazu qualifiziert beraten zu lassen.
    4. Unterbringung, Arbeitsmarktzugang, Sozialleistungen
    In Hamburg können sich ukrainische Staatsangehörige, die nicht bei Freunden oder Bekannten unterkommen können, nach Auskunft des Amts für Migration im Ankunftszentrum im Bargkoppelstieg melden und dort auch ohne Asylantrag untergebracht werden. Achtung: wer bereits Unterkunft hat, bitte NICHT im Ankunftszentrum vorsprechen (dort herrscht großer Andrang), sondern online einen Termin im Amt für Migration, Hammer Straße 32-34 vereinbaren. Dort erfolgt eine Registrierung.
    Im visafreien Aufenthalt und im verlängerten Aufenthalt nach § 40 AufenthV gibt es keine Arbeitserlaubnis, möglich sind bestimmte Praktika und Freiwilligendienste sowie rein karitative Tätigkeiten, ansonsten dürfen nur bestimmte Berufsgruppen arbeiten (zB Journalist*innen mit Arbeitgeber im Ausland, Forscher*innen, Berufssportler*innen oder Models, den meisten dürfte der Arbeitsmarkt daher versperrt sein).
    Mit den in Hamburg jetzt ausgestellten Fiktionsbescheinigungen ist eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis verbunden („Beschäftigung gestattet“). Es dürfte sich hier um einen Vorgriff auf die Bedingungen der zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG und der EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz handeln.
    Personen im visafreien Aufenthalt in den ersten drei Aufenthaltsmonaten haben nach Gesetzeswortlaut keinen Anspruch auf reguläre Sozialleistungen und können lediglich die sog. Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3 SGB XII beantragen; damit können die Kosten für Unterkunft, Nahrung und Körperpflege sowie eine Basis-Gesundheitsversorgung abgedeckt werden. Das BMI regt in seinen Anwendungshinweisen an, den Antrag auf Leistungen hier als gleichzeitiges Schutzgesuch zu werten, so dass unmittelbar Leistungen nach AsylbLG gewährt werden können. Berlin scheint sich für eine derartige Lösung entschieden zu haben.
    Wer nach den ersten 90 Tagen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 40 AufenthV beantragt, soll nach einer Auskunft des BMI Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz erhalten können, also ein gegenüber dem „normalen“ Arbeitslosengeld II gekürztes Sozialleistungsniveau. Zuständig sind die Sozialämter.
    Mit einer Fiktionsbescheinigung oder Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG besteht ebenfalls Anspruch auf Asylbewerberleistungen. Zuständig sind die Sozialämter.
    Bei einem Asylantrag besteht zunächst ein Beschäftigungsverbot für bis zu neun Monate, außerdem gilt eine Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 18 Monate. Es besteht dort Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

 

Information für geflüchtete Menschen aus der Ukraine (auch in Ukrainisch und Russisch)

  • Niemand soll zu einem Asylantrag gedrängt werden. Das Amt für Migration geht davon aus, dass Ukrainer*innen grundsätzlich visumfrei eingereist sind und sich legal in Hamburg aufhalten.
  • Wer keine Unterkunft hat, kann sich an die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung im Bargkoppelweg 66a wenden und kann dort untergebracht werden, auch ohne einen Asylantrag zu stellen.
  • Neben Unterkunft und Verpflegung sollen in diesen Fällen auch weitere Sozialleistungen gewährt werden. Die Einzelheiten sind noch nicht geklärt, das gilt auch für die Frage, ob ukrainische Geflüchtete, die z. B. bei Bekannten untergekommen sind, ebenfalls Anträge auf Leistungen stellen können. Anspruch besteht wahrscheinlich auf die sog. „Überbrückungsleistungen“ nach § 23 Abs. 3 SGB XII, d. h. stark reduzierte Leistungen, die Unterkunft, Ernährung und Körperpflege sicherstellen sollen.
  • Es zeichnet sich ab, dass durch einen Beschluss der EU-Innenminister am 3. März die EU-Richtlinie über vorübergehenden Schutz aktiviert werden könnte. Dann bestünde die Möglichkeit, Menschen aus der Ukraine eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG zu erteilen. Mit dieser hätten sie Zugang zu Sozialleistungen und nach Erlaubnis der Ausländerbehörde auch Zugang zum Arbeitsmarkt.
  • Die Stadt Hamburg hat hier begonnen, ein Informationsangebot für ukrainische Geflüchtete aufzubauen

Das BMI hat in einer Rundmail Erleichterungen für Ukrainer*innen mitgeteilt, die sich bereits in Deutschland aufhalten:

  • Wer Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hat (z. B. zum Familiennachzug oder zu Beschäftigungszwecken), muss nicht in die Ukraine ausreisen, um ein Visumverfahren nachzuholen, sondern kann den entsprechenden Aufenthaltstitel direkt bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde beantragen.
  • Wer den 90tägigen visumfreien Aufenthalt nach Schengen-Recht ausgeschöpft hat, kann lt. BMI für weitere 90 Tage eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Dies sei möglich, weil ein Ausnahmefall i. S. d. Schengener Durchführungsabkommens vorliege, der es der Bundesrepublik erlaube, den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu verlängern.
  • Wer nach dem 90-Tage-Aufenthalt nicht in die Ukraine zurückkehren will, kann daher eine Aufenthaltserlaubnis nach § 40 AufenthV i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 3 AufenthG („zu sonstigen Zwecken“) bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde beantragen.

Die Länder gehen allerdings unterschiedlich mit dieser Möglichkeit um. NRW will sie direkt umsetzen, SH hat seinen ABHen empfohlen, eher Fiktionsbescheinigungen auszustellen, Berlin hat via Allgemeinverfügung den visafreien Aufenthalt aller ukrainischen Staatsangehörigen bis vorläufig 31.5.2022 verlängert. HH hat sich noch nicht detailliert festgelegt, geht aber, s. o., von legalem Aufenthalt aus.

Arbeitsmarktzugang dürfte im visumfreien Status nicht bestehen, bei § 40 AufenthV nur zu den „Nicht-Beschäftigungen“ (§ 30 Nr. 2, Nr. 3 BeschV). Bei § 24 AufenthG wäre Beschäftigung mit Zustimmung der ABH zulässig, ob eine weitergehende Regelung getroffen wird, bleibt abzuwarten.

Es tauchen Fragen in den sozialen Medien auf, wie und wo Asyl beantragt werden kann. Schon weil das BAMF derzeit wohl keine Anträge bescheiden würde mit Verweis auf die sich schnell verändernde Lage, würden wir im Moment wohl eher raten, den visumfreien Status bzw. in Kürze evtl. § 24 AufenthG in Anspruch zu nehmen.


Ми маємо наступну інформацію від Міністерства внутрішніх справ:

Для біженців громадян України ми маємо таку інформацію від Міністерства внутрішніх справ. Якщо у вас є тут друзі або родичі, у яких ви можете жити, ви можете це зробити і чекати на подальший розвиток подій. Той, хто не має місця для проживання, може звернутися до центру прибуття за адресою Bargkoppelweg 66a, де його розмістять і про нього подбають без подання будь-яких заяв. Для людей, які вже мають місце для проживання, влада працює над тим, щоб забезпечити вас усім необхідним, у тому числі і доступом до медичного обслуговування.
Ми оновлюватимемо це повідомлення з метою надходження нової інформації.
Центр прийому біженців
Опис шляху до центру прийому біженців
FHH створив сторінку про біженців з України, включаючи адресу електронної пошти для запитань.
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У нас есть следующая информация от Министерства внутренних дел:

У нас есть следующая информация от Министерства внутренних дел для беженцев, граждан Украины. Если у вас есть здесь друзья или родственники, у которыми вы можете жить, вы можете это сделать и ждать дальнейшего развития событий. Тот, у кого нет места для прожиования, может обратиться в центр прибытия по адресу Bargkoppelweg 66a, где его разместят и о нем позаботятся без подачи каких-либо заявлений. Для людей уже имеющих место для проживаниха власти работают над тем, чтобы обеспечить вас всем необходимым, в том числе и доступом к медицинскому обслуживанию.
Мы будем обновлять это сообшение по мере поступления новой информации.
Центр приёма беженцев
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