Anwaltschaft und Beratungsstellen in Hamburg schlagen Alarm: Beratungsnotstand – Faire Asylverfahren nicht mehr gewährleistet

‚Eine Beratung und Vertretung von Schutzsuchenden, die rechtsstaatlichen Massstaeben genuegt, ist kaum mehr moeglich‘, so Anne Harms, Leiterin der kirchlichen Beratungsstelle fluchtpunkt, und Markus Prottung vom Hamburger Arbeitskreis Aufenthalts- und Asylrecht des RAV. Der Grund: Das Bundesamt fuer Migration und Fluechtlinge (BAMF) hat seine Kapazitaeten extrem ausgeweitet und verschickt bundesweit taeglich Tausende Bescheide. ‚Wir sind alle an der Kapazitaetsgrenze. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, suchen oft wochenlang nach einer erfahrenen Rechtsvertretung, die ihre Faelle noch uebernehmen koennte‘, so Prottung.

Auch europarechtlichen Vorgaben, wie etwa dem Recht auf Beratung, wird keine Rechnung getragen. Neue und nur kurz eingearbeitete BAMF-Kraefte tragen zu einem dramatischen Verfall der Qualitaet der Anhoerungen und Bescheide bei. ‚Es geht nur noch darum, moeglichst schnell zu entscheiden‘, kritisiert Harms. Viele Bescheide seien zu pauschal und enthielten inhaltliche Fehler. ‚Eine Ueberpruefung durch die Gerichte ist deshalb dringend geboten. Das gilt auch und gerade fuer Menschen aus Afghanistan‘.

Problematisch sind auch die extrem beschleunigten Asylverfahren im neuen Ankunftszentrum in Rahlstedt. Gefluechtete werden innerhalb weniger Tage einem umfassenden Verwaltungsverfahren unterworfen, in dessen Verlauf sie auch zu ihren Fluchtgruenden befragt werden. Zu diesem Zeitpunkt haben sie meist noch keine Vorstellung davon, dass von ihnen erwartet wird, diese dort detailliert und zusammenhaengend zu schildern. Es gibt noch immer kein System, um den besonderen Schutzbedarf von Fluechtlingen, die traumatisiert oder Opfer von Gewalt geworden sind, zu erkennen und Anhoerungen entsprechend zu gestalten.

Wir fordern:

– Die oeffentlichen Beratungskapazitaeten, z. B. bei der Oeffentlichen Rechtsauskunft (OERA), muessen ausgeweitet werden.

– Die Verfahren in den Ankunftszentren sind so zu gestalten, dass eine qualifizierte Beratung rechtzeitig vor der Anhoerung moeglich ist.

– Die Qualitaet der Einzelfallpruefung muss erhoeht werden.

Derzeit schieben wir Menschen in Krisenstaaten ab, die nie eine wirkliche Chance hatten, ihren Schutzbedarf zu schildern. Es mag wuenschenswert sein, Aktenberge beim BAMF abzubauen – wenn dies dazu fuehrt, dass fuer den Einzelnen kein faires Verfahren mehr gewaehrleistet ist, entspricht dies nicht den Anforderungen an einen Rechtsstaat. Zudem sind die vermeintlich auf Effizienz getrimmten Strukturen in Wahrheit unoekonomisch. Sie ueberlasten die Justiz und verlaengern die Verfahren.

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