Erst im August hatte das Hanseatische Oberverwaltungsgericht (OVG) entschieden: Die Praxis der Zentralen Ausländerbehörde, zu Abschiebungen in Flüchtlingsunterkünfte einzudringen, ist rechtswidrig, wenn zuvor kein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erwirkt wird.
Aus der Antwort des Senats auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Carola Ensslen erfährt man nun: Dieses Urteil wischt Hamburg beiseite. In mindestens 18 Fällen fanden allein im ersten Monat nach der Urteilsverkündung erneut Abschiebungen aus dem Ankunftszentrum oder dezentralen Flüchtlingsunterkünften statt, ohne dass die Maßnahme vorher durch eine*n Richter*in geprüft worden wäre.
Die Stadt beruft sich darauf, dass das Aufenthaltsgesetz geändert wurde und die Entscheidung des OVG noch zur alten Rechtslage ergangen ist. Tatsächlich sieht der durch das „Hau-Ab-Gesetz II“ geänderte § 58 Abs. 5 AufenthG vor, dass Ausländerbehörde und Polizei die Wohnung einer abzuschiebenden Person „zum Zweck ihrer Ergreifung betreten“ dürfen, ohne Gerichtsbeschluss. Erst, wenn die Räume durchsucht werden sollen, müsse dies ein Gericht genehmigen (§ 58 Abs. 6 AufenthG).
Allerdings lässt sich die Grenze zwischen einem reinen „Betreten zum Zweck der Ergreifung“ und einer „Durchsuchung“ kaum klar ziehen. Genau darauf hatte das OVG in seinem Urteil ausführlich hingewiesen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat zu den rechtlichen Grundlagen einer Durchsuchung sinngemäß entschieden: Wer privaten Wohnraum betritt, um dort eine Person oder eine Sache zu finden und herauszuholen, der führt eine Durchsuchung durch.
Der neue § 58 Abs. 6 AufenthG, der genau dieses Verhalten erlauben soll, aber ohne vorherige richterliche Prüfung, verstößt also mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen das Grundgesetz.
Wir werden deshalb ein neues Grundsatzverfahren gegen die Hamburger Abschiebepraxis anstrengen. Vorläufig muss man aber davon ausgehen, dass Ausländerbehörde und Polizei weiter ohne Gerichtsbeschluss in Flüchtlingsunterkünfte eindringen und dass die Stadt auch den Heimbetreiber fördern&wohnen anweisen wird, die Schlüssel dafür zur Verfügung zu stellen. Betroffene sollten sich mit ihren Anwält*innen in Verbindung setzen, ob Rechtsschutz gegen das Handeln der Behörden erreicht werden kann.