Durchsuchung im Rahmen einer gescheiterten Abschiebung – nicht ohne Richter*innenbeschluss

Als wiederkehrende Frage beschäftigt die deutschen Verwaltungsgerichte: Welcher grundrechtliche Schutz der Privatsphäre gilt für Betroffene im Kontext einer Abschiebung? Bedarf es für jede Abschiebung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses, da in der Regel gegen den Willen der Betroffenen in ihre privaten Wohnräume eingedrungen und nach ihnen gesucht wird, ggf. auch ihre persönliche Habe durchsucht wird?

Zunächst hatte das Oberverwaltungsgericht Hamburg die Frage der Erforderlichkeit eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses im Jahr 2020 in erfreulicher Klarheit (grundsätzlich) mit „ja“ beantwortet. Leider hat das Bundesverwaltungsgericht im vergangenen Jahr den Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung von Geflüchteten wieder eingeschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar klargestellt, dass Wohnräume in Flüchtlingsunterkünften Wohnungen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 GG sind und damit den Schutz des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung genießen. Gleichzeitig hat das BVerwG jedoch ein bloßes Betreten und Umschauen im Rahmen einer Abschiebung nicht als eine Durchsuchung eingestuft, die eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedürfte.

Wir haben parallel dazu seit 2020 ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg geführt. Wir klagten gegen eine Durchsuchung der Wohnräume einer Familie im Rahmen eines Abschiebeversuchs, nachdem die Ausländerbehörde die Familie nicht angetroffen hatte. Um zu überprüfen, ob die Familie grundsätzlich noch dort wohnte oder etwa untergetaucht war, wurden Kleiderschränke und Kühlschrank geöffnet, Briefumschläge und Kontoauszüge inspiziert. Wir machten geltend, dass dies ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig ist.
Das VG Hamburg gab uns Recht und erteilte dem Versuch der Ausländerbehörde, die beschriebene Durchsuchung als reines Betreten zu verkaufen, eine klare Absage.

OVG Hamburg, Urteil vom 18.08.2020, 4 Bf 160/19 (Asylmagazin 10-11/2020, S. 383 f.)
https://www.asyl.net/rsdb/M28735
BVerwG, Urteil vom 15.06.2023, 1 C 10.22 https://www.bverwg.de/150623U1C10.22.0
VG Hamburg, Urteil vom 08.12.2023, 17 K 4523/20
Justus Linz, Im Zweifel gegen den Richter*innenvorbehalt? Zum BWerwG-Urteil vom Juni 2023 zur Unverletzlichkeit der Wohnung in Sammelunterkünften, in: Asylmagazin 12/2023, S. 399ff.

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