Während des Lockdown im Frühjahr hat das BAMF in Dublin-Verfahren flächendeckend den Vollzug ausgesetzt nach § 80 Abs. 4 VwGO. Das entspricht der Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht. Ab Mai wurden diese Aussetzungen widerrufen. Das BAMF beruft sich nun darauf, dass durch die zwischenzeitliche Aussetzung die Überstellungsfristen unterbrochen seien, also neue sechs Monate zur Abschiebung zur Verfügung stünden. Betroffene sind dadurch genötigt, vor Gericht zu gehen, um die Prüfung ihres Asylantrags in Deutschland zu erreichen, wenn die Überstellungsfrist abgelaufen ist. Dafür stellen wir hier eine Arbeitshilfe zur Verfügung.
Die Ansicht des BAMF ist umstritten. Mehrere EU-Staaten teilen sie nicht und sind nicht bereit, die betroffenen Geflüchteten noch immer zurückzunehmen (z. B. Italien). Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein Neustart der Überstellungsfrist zudem nur in Betracht, wenn im Moment der Aussetzung noch eine Klage anhängig war. Das BAMF hat sich daher in etlichen Fällen schon selbst korrigiert, in denen keine Klage erhoben oder das Klagverfahren bereits abgeschlossen war. Hier wird der Asylantrag im nationalen Verfahren geprüft.
In den übrigen Fällen hält das BAMF dagegen an seiner Auffassung fest. Hier soll also noch abgeschoben werden, obwohl die ursprüngliche Überstellungsfrist inzwischen abgelaufen ist.
Gemeinsam mit PRO ASYL haben wir einen Musterschriftsatz entworfen, der dabei helfen soll, in diesen Fällen Rechtsschutz zu finden. Er fasst die bis zum Herbst ergangene Rechtsprechung zusammen. Das zentrale Argument: Das Vorgehen des BAMF ist nicht mit der Dublin-Verordnung vereinbar. Die Dublin-Verordnung erkennt zwar an, dass die Behörden eines Mitgliedstaats die aufschiebende Wirkung anordnen können. Dies aber nur zu dem Zweck, ein Rechtsmittelverfahren zu ermöglichen. Dem BAMF geht es aber nicht um die rechtliche Überprüfung seiner Bescheide. Es wollte lediglich die Zeit im Frühjahr überbrücken, in der wegen geschlossener Grenzen keine Überstellungen möglich waren.
Der von uns vertretenen Auffassung hat sich inzwischen auch die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Hamburg angeschlossen. In einer Entscheidung vom September halten die Richter*innen die Vollzugsaussetzung für rechtswidrig und ohne Wirkung auf die Überstellungsfrist.