Das „Hau-Ab-Gesetz II“, schönfärberisch „Geordnete Rückkehr“ genannt, soll am Freitag beschlossen werden. Und es kommt alles noch viel schlimmer.
Am 4.6. wurde ein Änderungsantrag von Union und SPD bekannt. Er sieht unter anderem vor:
- Betretungs- und Durchsuchungsrechte für Ausländerbehörde und Polizei in jeder Flüchtlingsunterkunft, tags und nachts. Das Betreten zur Abschiebung soll ohne richterlichen Beschluss zulässig sein. Artikel 13 Grundgesetz – die Unverletzlichkeit der Wohnung – wird hier weitestgehend außer Kraft gesetzt.
Das dürfte verfassungswidrig sein – denn wie das Verwaltungsgericht Hamburg erst im Februar in einem von uns vertretenen Fall entschied: Der Übergang von „Betreten“ zu „Durchsuchen“ ist fließend, das Grundrecht kann nur gewahrt bleiben, wenn die gesamte Maßnahme der richterlichen Genehmigung unterliegt (Urteil vom 15.2.2019, 9 K 1669/18).
- Abschiebungshaft (verniedlichend „Ausreisegewahrsam“) soll möglich sein, wenn die Ausreisefrist um mehr als einen Monat überschritten ist (was auf die meisten Geduldeten zutrifft); die Ausländerbehörde kann den Betreffenden festnehmen und muss erst nachträglich einen Richter hinzuziehen (was in der Praxis oft Alibifunktion hat). Auch relativ geringe Strafen (ab 50 Tagessätze Geldstrafe) sollen einen Haftgrund bilden können. Artikel 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz – „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“ – soll auf Geflüchtete offenbar nur homöopathisch angewendet werden.
- Es soll ohnehin schon eine Duldung zweiter Klasse eingeführt werden für Personen, die ihre Identität nicht belegen können – mit Arbeitsverbot und unter das Existenzminimum gekürzten Sozialleistungen. Nun aber soll die Ausländerbehörde die Betroffenen auch noch auffordern können, ihre Bemühungen um einen Pass etc. an Eides Statt zu versichern. Was dann zur Strafbarkeit führt, wenn sich etwas im Nachhinein als unkorrekt herausstellt. Man schafft also einen Gesetzestatbestand, der ganz bewusst Strafbarkeit produzieren soll.
- Der Wohnzwang in Flüchtlingslagern („AnkER-Zentren“) soll generell auf 18 Monate ausgedehnt werden, für Familien mit Kindern sechs Monate. Ausgenommen ist nur, wer vor Ablauf der 18 Monate anerkannt wird. Wer abgelehnt wird und aus Sicht der Behörden seine Pflicht zur Mitwirkung an der Vorbereitung der eigenen Abschiebung nicht ausreichend erfüllt, soll auf Dauer im Lager wohnen müssen. Verbunden ist dies mit einem Arbeits- und damit Integrationsverbot für bis zu neun Monate; wer abgelehnt wird und danach nur noch geduldet ist, erhält weitere sechs Monate Arbeitsverbot.
- Es wird eine “unabhängige” Asylverfahrensberatung eingeführt – die auf der ersten Stufe verpflichtend das BAMF als Gruppenberatung durchführt, mit ausdrücklichem Hinweis auf Rückkehrmöglichkeiten. Auf der zweiten Stufe, in einer Individualberatung, kann zwar die Beratung durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt werden, das BAMF kann aber auch beschließen, die Beratung selbst anzubieten. Eine Beratung durch Fachanwältinnen und –anwälte bleiibt zwar theoretisch möglich, ist wegen der Kürze der Verfahren aber oft schwer zu realisieren und für die Betroffenen schwer zu finanzieren. Erleichterungen beim Zugang zu qualifiziertem Rechtsrat sind nicht vorgesehen. Von Vorbildern wie dem niederländischen oder Schweizer Asylverfahren, wo eine unabhängige und kostenfreie Beratung fest ins Verfahren eingegliedert ist und auch eine mehrwöchige Orientierungsphase vorgesehen ist, um sich beraten zu lassen, ist das weit entfernt.
Das alles, vom Regelungsgehalt her eigentlich schon ein eigenständiges Gesetz. wird auf den letzten Metern überhastet ins „Hau-Ab-Gesetz II“ eingeschleust. Durch einen Änderungsantrag der GroKo-Fraktionen. Der parlamentarisch kaum noch beraten werden wird. Der nicht in der Sachverständigenanhörung erörtert wurde. Zu dem die Fachverbände und Menschenrechtsorganisationen nicht Stellung nehmen konnten. Der noch nicht einmal mit den Fachressorts, etwa dem Bundesjustizministerium, abgestimmt wurde.
Das ist ein kalter Putsch der Innenpolitiker zweier im Abwärtstaumel befindlichen „Volks“parteien gegen das Grundgesetz, dessen 70. Geburtstag wir erst in der vorletzten Woche mit feierlichen Reden begangen haben.
Um ein paar Stimmen am rechten Rand einzufangen (der sich, das weiß man inzwischen zu Genüge, durch derlei nicht beeindrucken lässt), nimmt man einen massiven Rückbau an Rechtsstaatlichkeit in Kauf und verprellt alle BürgerInnen, die sich für ein weltoffenes und flüchtlingsfreundliches Deutschland einsetzen.
Dass die SPD dieses Vorhaben in einem Brief an die eigenen Abgeordneten als „zentrale Weiche für eine humanitäre Flüchtlingspolitik“ bezeichnet, macht sprachlos. Wir regen an, sich an die eigenen Wahlkreisabgeordneten zu wenden, um diesen deutlich zu machen, dass eine humanitäre Flüchtlingspolitik nicht die sein kann, die die Positionen und Narrative der Rechtspopulisten zu bedienen versucht. Vielleicht, dass wenigstens der SPD doch noch aufgeht, dass man so nicht den erhofften Neuanfang schafft. Und auch die CDU/CSU sollte eigentlich an den letzten Wahlergebnissen gemerkt haben, dass dieser Kurs viele WählerInnen abstößt.